Bungalow über der Stadt: Aufstockung eines Mehrfamilienhauses
Neuer Wohnraum ohne Neubau
Raum in der Stadt ist schon lange Mangelware. Nicht nur in dicht besiedelten Großstädten, sondern auch in Klein- und Mittelstädten gibt es kaum noch freie Grundstücke für neuen Wohnraum. Ab 2050 soll sogar ein „Kreislaufprinzip“ gelten, bei dem Städte nur dann neues Bauland erschließen dürfen, wenn sie andernorts Flächen freigeben. Woher aber den neuen Wohnraum nehmen?
Eine etwas unkonventionelle, aber kostengünstige Lösung ist das Aufstocken eines Hauses um eine weitere Etage. Mit Eigeninitiative und guten Ideen lässt sich so neuer Wohnraum auch ohne Grundstückskauf und Neubau schaffen.
In unserem Beispiel wurde ein Mehrfamilienhaus um eine weitere Etage ergänzt – das Ergebnis ist ein Bungalow mit Traumblick über die Stadt. Zuvor war aber die Abstimmung mit den dort lebenden Menschen notwendig, um das Projekt zu verwirklichen. Welche Chancen das Aufstocken von Gebäuden bietet, welche Herausforderungen es gibt und wie dabei sogar Geld gespart werden kann, zeigen wir in diesem Beitrag.
Das erfahren Sie in diesem Artikel:
Chancen und Hürden beim Aufstocken von Gebäuden
Nach oben ist noch Luft: Wohnraum ohne Bauland lässt sich erfolgreich auf (Flach-)Dächern gewinnen.
Vorteile von Aufstockungen
- Es muss kein neues Bauland erworben werden
- Es müssen keine Erdarbeiten für Fundamente oder für Strom-, Wasser- und Heizungsanschlüsse vorgenommen werden – die bestehenden Leitungen werden einfach nach oben verlängert. Das spart Kosten.
- Wer im Zuge der Baumaßnahme die Energieeffizienz seines Hauses verbessert, erhält dafür meist auch Fördergeld.
„Bis zu 2,8 Mio. Wohnungen könnten allein in Regionen mit angespannten Wohnungsmärkten entstehen, wenn innerstädtische Baupotenziale konsequent genutzt würden“, hat Prof. Karsten Tichelmann von der TU Darmstadt errechnet. „Aufstockung schafft neuen Wohnraum ohne neue Flächenversiegelung – und das sogar kostengünstiger, weil die Erschließungs- und Grundstückskosten entfallen."
Hürden beim Aufstocken eines Hauses
- Vor allem muss die Statik des Hauses zur geplanten Aufstockung passen, damit keine aufwendigen Unterkonstruktionen nötig werden. Auch logistisch sind Aufstockungen häufig anspruchsvoller, da der Zugang zur Baustelle schwieriger sein kann.
- Eine vorherige Abstimmung mit den Bewohnern ist notwendig, die mit den Bauarbeiten und Veränderungen ihres Wohnumfeld einverstanden sein müssen. Die Bauarbeiten müssen so organisiert werden, dass die Bewohner möglichst wenig beeinträchtigt werden bzw. dass sie während der Bauarbeiten im Haus wohnen bleiben können.
- Wie alle Umbauten müssen auch Aufstockungen den Vorgaben des Bebauungsplans bzw. Baurechts entsprechen – und die können von Fall zu Fall recht umfangreich sein. So dürfen Häuser in einigen Gebieten nur eine bestimmte Geschosszahl erreichen oder die maximale Bauwerkshöhe ist vom Abstand zu den Nachbargrundstücken abhängig. Auch gelten meist strenge Vorschriften zu Barrierefreiheit, Brand- und Schallschutz.
Eine gute Nachricht: Weil auch der Gesetzgeber das Flächenpotenzial auf Dächern erkannt hat und das ressourcenschonende Bauen im Bestand insgesamt fördern will, werden in manchen Landesbauordnungen derzeit die Genehmigungsprozesse für Aufstockungen – zumindest teilweise – erleichtert.
Wie Städte durch Aufstocken nachhaltig wachsen können
Um neuen Wohnraum in Städten zu schaffen, lassen sich bestehende Dächer intelligent aufstocken. Der Beitrag zeigt gelungene Beispiele aus aller Welt »
Beispiel: Bungalow auf Mehrfamilienhaus aufstocken
Zu Beginn jeder Aufstockung braucht es engagierte Bauherren, denn noch werden Baumaßnahmen dieser Art eher selten umgesetzt. Die Bauherrenfamilie Wagner zeigt uns ein besonders gelungenes Beispiel für die Aufstockung eines Hauses. Sie hatten die Idee, einen Neubau auf einem Mehrfamilienhaus zu errichten.
Dieses Mehrfamilienhaus wurde um eine weitere Etage aufgestockt:
„Es war klar, dass wir in Berlin bleiben wollten, auch wenn die Familie wächst“, erzählt das Ehepaar Wagner. Doch ein geeignetes Baugrundstück war in der Hauptstadt nicht zu finden. Da half nur umdenken: „Wir sind selbst kreativ geworden und haben viele Leute angesprochen: Ließe sich ein Bauplatz nicht auch auf einem ungenutzten Hausdach finden?“
Zustimmung aller Wohnungseigentümer ist erforderlich
So kamen die Wagners mit dem Verwalter eines Sozialbaus aus den 1960er-Jahren ins Gespräch. Für Ihr Bauvorhaben benötigten sie aber auch die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft. Wir schafften sie es, die Bewohner des Mehrfamilienhauses zu überzeugen?
Ein wichtiges Pro-Argument war der neue, außen liegende Aufzug, der nicht nur den eigenen Dachbungalow erschließt, sondern allen Hausbewohnern zur Verfügung steht. So hatten alle etwas davon. Der Aufzug erschließt die obere Etage, ohne dafür die darunterliegenden Etagen umbauen zu müssen.
Hier sehen wir den außenliegenden Aufzug, der zum Bungalow führt:
Ein gutes Nachbarschaftsverhältnis steht und fällt auch damit, wie zügig und reibungslos die Baumaßnahme insgesamt abläuft. Auch hier fanden die Bauherren eine gute Lösung mit den Bewohnern: Um eine übermäßige Belastung durch Lärm und Dreck zu vermeiden, erfolgte die Aufstockung in Holz-Fertigbauweise. So konnte die Bauzeit kurz gehalten werden. Innerhalb einer Woche stand die Hülle aus ökologisch gedämmten Holztafelelementen. Dann ging es schon an den Innenausbau.
Wohnraum schaffen, wo vorher keiner war – dieses Prinzip überzeugte letztlich auch die Bewohner des bis dahin fünfgeschossigen Hauses.
Geeignete Bauweisen: am besten leicht und vorgefertigt
Für Dachaufstockungen eignen sich aufgrund ihres geringen Gewichts Porenbetonsteine und wegen der extrem kurzen Bauzeit auch leichte, vorgefertigte Holzbauteile besonders gut. Die Bewohner der unteren Stockwerke können während der Bauarbeiten im Haus wohnen bleiben, wodurch in Mietobjekten kein Mietausfall droht.
Bei Baulückenschließungen bietet es sich an, vorgefertigte Wandbausätze zu nutzen, die – bereits fertig zugeschnitten – just in time auf die Baustelle geliefert und sofort verbaut werden. Eine mehrgeschossige Wand wird so in nur einem Tag fertig und die Belastung der Anrainer bleibt gering. Aus dem gleichen Grund erfreut sich auch das saubere und schnelle Bauen mit seriell vorgefertigten Modulen aus Holz oder Stahl in der Stadt gerade großer Beliebtheit.
So geht's auch: Aufstockung mit Tinyhouses
In Reutlingen wurden Tinyhouses auf eine Reihe von Garagen aufgesetzt und so insgesamt 160 m² bezahlbarer Wohnraum geschaffen. Hier stellen wir die Garagenaufstockung vor »
Bungalow aufstocken: So sieht das fertige Ergebnis aus
Heute genießt Familie Wagner diesen Traumblick über die Dächer der Stadt. In ihrem Bungalow, der als Aufstockung des Mehrfamilienhauses realisiert wurde, setzten sie bewusst auf große, deckenhohe Fenster, um den Ausblick jederzeit genießen zu können. Die großzügigen, lichtdurchfluteten Räume bieten einen hohen Wohnkomfort.
Alle Bilder, sofern nicht anders gekennzeichnet: Baufritz